
Das Modell der Hoch- und Niedertarife prägt die Schweizer Stromlandschaft seit den 1960er-Jahren. Neue grosse Fluss- und Atomkraftwerke lieferten sogenannte Bandenergie – eine konstante, rund um die Uhr verfügbare Strommenge. Um Konsument*innen zu einem netzdienlichen Verhalten zu motivieren, wurde der Niedertarif eingeführt: Strom sollte dann genutzt werden, wenn er ohnehin im Überfluss vorhanden war. So liessen sich Verbrauchsspitzen dämpfen, etwa zur Mittagszeit, wenn die Nachfrage besonders hoch ist. Nach über 60 Jahren passt dieses Modell jedoch nicht mehr zur heutigen Energiewelt. Viele Energieversorger haben den Doppeltarif bereits abgeschafft – so auch die IBI per Ende 2025.
Erneuerbare Energien verändern das Verbrauchsverhalten
Mit dem starken Ausbau der Photovoltaik hat sich die Logik der Stromproduktion und damit des Stromkonsums grundlegend gewandelt. Heute findet die günstigste und umweltfreundlichste Nutzung tagsüber statt, wenn viel Solarstrom ins Netz eingespeist wird. Eine Verschiebung des Verbrauchs in die Nacht ist nicht mehr sinnvoll.
Der frühere Niedertarif führte zudem oft zu ineffizientem Verhalten. Wärmepumpen beispielsweise arbeiten tagsüber meist effizienter, wurden aber wegen des günstigeren Nachttarifs häufig nachts betrieben – energetisch und wirtschaftlich nicht optimal.
Win-win
Besonders für private Produzent*innen gilt: Wer Waschmaschine, Geschirrspüler oder Wärmepumpe dann betreibt, wenn die eigene PV-Anlage Strom liefert, profitiert doppelt. Auch aus Sicht der Netzbetreiber spricht alles dafür, Strom dann zu nutzen, wenn er produziert wird: Besteht im lokalen Netz nämlich ein Stromüberschuss, muss dieser zu einem hohen Preis in das vorliegende Netz zurückgespeist werden.
Die langfristige Zukunft liegt in dynamischen Stromtarifen.
Zeitgemässe, aber nicht endgültige Lösung
Der Einheitstarif ist für Energieexpert*innen ein sinnvoller Zwischenschritt. Die langfristige Zukunft liegt jedoch in dynamischen Stromtarifen, deren Preise sich flexibel dem aktuellen Stromangebot anpassen. Damit das funktioniert, braucht es digitale Systeme im Haushalt: Steuerungen, die Geräte automatisch einschalten, sobald viel und damit günstiger Strom verfügbar ist. Ein Boiler kann beispielsweise zur Mittagszeit aufheizen, wenn reichlich Solarstrom ins Netz fliesst.
Intelligente Stromnutzung mit Smart Meter
Eine Grundvoraussetzung für intelligente Netze sind moderne Stromzähler. Das Stromversorgungsgesetz schreibt vor, dass bis 2027 in 80 Prozent der Schweizer Haushalte Smart Meter installiert sein müssen. Die IBI hat auf dem Bödeli bereits 85 Prozent der alten Zähler durch moderne Smart Meter ersetzt. Diese ermöglichen in Zukunft eine automatisierte, flexible Steuerung der Haushaltsgeräte – immer dann, wenn Strom verfügbar und günstig ist. Wann genau solche intelligenten Anwendungen flächendeckend eingesetzt werden, wird sich zeigen. Die Weichen für eine effizientere und nachhaltigere Stromnutzung sind gestellt.
Text: IBI